Gulasch – oder: Der Senf des Lebens

Gulasch – oder: Der Senf des Lebens

»Über den Senf des Lebens«: Dieser Titel fiel mir sofort ins Auge, und ich vermutete dahinter ein ironisch-gewürztes Traktat über die Abgründe unseres Waltens. Leider eine optische Täuschung. Denn die mit opulenten Jugendstilranken verschnörkelten Buchstaben entfalteten das Wort Sinn statt Senf, und ich war um eine Enttäuschung reicher. Gleichwohl bohrte sich ein Stachel in meinen Senf, sprich Sinn, und ich überlegte, was uns ergreift, wenn auch andere Grübelbegriffe durch das Wort Senf ersetzt würden.

Und siehe, der Senf ruft eine geradezu undeutsche Leichtigkeit hervor: »Es gibt keinen richtigen Senf im falschen« (T. Adorno). »Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Senf« (Johannes 8,11).

»Manno«, meckert der Kobold dazwischen, der immer in meinem Oberstübchen herumklötert, »das Wort ›Gulasch‹ trifft es doch viel besser.« Oha Alt- und Grantel-Philologen, jetzt bitte weggucken. »Der Gulasch des jungen Werther« (J. W. Goethe), »Kabale und Gulasch« (Schiller): Ist das schon Blasphemie? Wurscht, mir jedenfalls zwiebelt das Zwerchfell. Hörst du nicht auch dieses freche Kichern über den angestaubten Runen?Frech und frivol wie W. A Mozart, der wohl seinen Spaß daran gehabt hätte, eine seiner bekanntesten Opern als »Der Zaubergulasch« vorzustellen.

Verstaubte Runen, verstaubte Leinwände. Das rätselhafte Lächeln der »Mona Lisa«, präsentiert als »Mona Gulasch«, entpuppt sich jetzt als scharfes ungarisches Zwinkern! Auch unser kunstmalerischer Platzhirsch Franz Radziwill selig hätte seine Freude an den Korrekturen gehabt, hatte er doch seine Bildtitel selbst gern an die Verhältnisse angepasst. Sein Bild »Das Fenster meines Nachbarn?« Seien wir ehrlich: langweilig. »Der Gulasch meines Nachbarn?« Weckt Gelüste und entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie.

Welche Gestaltungsmöglichkeiten bieten aber erst die Zitate aus Politik und Wahnsinn! Hätte A. Hitler sein Machwerk »Mein Kampf« mit dem Titel »Mein Gulasch« herausgebracht, uns wäre das Grauen des Dritten Reiches erspart geblieben, denn wer lacht, kriegt keinen hoch. Keinen Arm zum Gruße. Dies den Rechten als Denkaufgabe und Kochrezept.

Euer Senf alias Heinzi

(Friesländer Bote 28.11.2020, letzte Seite)

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