3 Alpenglühen

3 Alpenglühen

Um Abwechslung bemüht, flechte ich ein Kapitel der Alpensaga „Im Schatten des Watzberges“ ein.

Heidi hatte ein Alpenröschen gepflückt, droben auf dem Watzberg. Es roch nach Schuhwichs, und dieser Geruch war es, der sie in ihre glückliche Kindheit versetzte, wo die Mutter noch Rüben einkochte und den Saft des Erdferkels zu süßer Marmelade verarbeitete. Während Heidi noch am Röschen schnupperte hatte Onkel Berthold seine Repetierbüchse geschultert, um das bärwütige Rind zu schießen, das draußen in der Einöd schadhaft weidete, den mühsam gedüngten Steinbruch abgraste und somit das Existenzminimum des Lohnsklaven Jarislaw und seines grinden Maibocks beeinträchtigte.

Den Hut mit dem Edelweiß am Bande setzte sich der Onkel auf als Tarnung und des Geruchs wegen, welcher das bärwütige Rind verwirren sollte, es ins Verderben locken, vor die Flinte mit dem gezogenen Lauf, ein Prachtstück der Büchsenmacherkunst, ganz und gar unikatisch, wie der Onkel immer wieder und so auch jetzt zu versichern wusste und gar kein Ende finden wollte.

„Nun aber rasch den Bach queren“, rief die Mutter ungeduldig und des Lobhudelns überdrüssig. Sie rief vom Fenster aus, dem südseitigen mit den von Bauernmalerei befleckten Zargen. „So mach er sich doch auf, der feine Jäger, bevor die Schubiake Einzug halten und die Wassermühle lahm legen.“

Seit Jahrhundertgedenken nämlich fielen am 12. Juni die Schubiake ein, von denen niemand im Tal ahnte, dass es ihre eigenen Vorfahren waren, verschleppt, verschandelt, vergessen. Ein Volk ohne Vergangenheit.
Dessen Anführer, Dipl.-Ing. Dr. Wosniak, hatte sich dem grinden Maibock ergeben, war ihm willenlos verfallen auf ewig. Deshalb der jährliche Überfall auf den Huberer-Klan. Deshalb das Lahmlegen der Wassermühle. Ein Ablenkungsmanöver, um den Lohnsklaven Jarislaw auf die reparaturanfällige Kalamität aufmerksam zu machen, darüber er seinen Maibock aus den Augen verliere.

Zum Zweiten: Unterscharführer Robiniak, der alte Hauzahn, hatte durchblicken lassen, dass auch er gern dem Maibock seine Aufwartung machen würde, der Grind würd‘ ihn nicht stören. Aber da hatte er nicht mit Krawussniak gerechnet, dem Pedell, der ihm den Zutritt zum geseiften Thron des Kaiserbocks verweigerte mit der Unsinnigkeit, die Huberer Elise sei an G’schwindsucht gen Firmament g‘pfiffen.

Inzwischen hatte Heidi das Röschen in ihren Schultersack gestopft (und dabei tüchtig verknittert) neben dem Käseschmarren, dem Bierfläschlein und dem smarten Phon, das unablässig die Melodie vom dritten Mann plinkerte.

Da wollte jemand angehört sein.

Da wollte sich eine Nachricht auftun.

Da wollte der Knopf bedient werden, der den Empfang öffnete für Worte, wispernd aus dem Winziglautsprecher.

Josepha, ihre Schwester aus Amerika, hing am Draht.

„Hallo Huberer Heidi“, sprach Josepha, und das Hallo klang wie Hello.

„Hello“, antwortete Heidi entbehrungsreich.

Den Diplomingenieur wollte die Schwester sprechen, denn sie war mit dem Schubiak verludert, seit die Pubertät im Huberertal ihr Unwesen trieb.

„Der Wosniak treibt‘s nunmehr mit dem Maibock, der geiltriefende.“

„Ach, welch garstig Schwamm muss ich nun führen“, seufzte die Josepha verworren, „dann muss ich wohl mit dem Kennedy Jamie ehebrechen, ein Kreuz halt ist‘s.“

Davon wollte die Heidi nichts hören. Sie war ja noch unbedarft.

„Aber zur Hochzeit kommst, gell“, frug die Schwester aus New York, „du, den Honigmond musst kennenlern‘ droben in Las Vegas. Dort klimpert’s unaufhörlich.“

Der Winziglautsprecher knackte. Ein Gewitter zog auf. Der Watzberg würde zerdonnert und weggefusselt, wenn die Heidi sich nicht sputen würde.

Ein halbes Jahr verfloss im Huberer-Tal. Die Schubiake waren im Eilgepäck abgezogen, nachdem sie die Wassermühle mit Bleisand und Leerkartuschen lahmgelegt hatten. Dem grinden Maibock hatten sie dennoch nicht – wie schon in den Jahren davor – den Schneid abkaufen können geschweige denn eine Liebschaft andienen. Nun hieß es für die sorglich in der Sakristei versteckten Huberer, die Ärmel zu krempeln und das Gotteshäusl zu verlassen, um die Schadhaftigkeit zu reparieren.

Zu diesem Zeitpunkt war Heidi schon in Las Vegas gelandet und hatte das Röslein, den  Käseschmarren, das Bierfläschlein und sogar das smarte Phon verklimpert. Nur der Honigmond war ihr geblieben, ein zotteliges Fordfahrzeug mit einem Geweih auf dem Kühlerblech.

Ach, wie die Huberer Heidi ihr Huberertal mit dem Huberer-Klan vermisste. Josepha konnte sie nicht trostspenden. Umgedreht auch nicht.

 Josepha also konnte sie nicht trostspenden. Darüber verlor sich der Faden der Klimperodyssee im Spielerparadies. Was würde aus Heidi und ihrer Schwester werden? Würde der Huberer-Klan einen Rachefeldzug ins Schubiakenland planen und dabei vielerlei Abenteuer auf sein Konto verbuchen?

Drüben, im wilden Schubiakien, hockte derweil Dipl.-Ing. Dr. Wosniak vor seinem Laptop. Nach der Huberer Josepha war er hinterher zu googeln. Reumütig wollte er ihr seine Reumütigkeit auf das Tablett servieren, wollte den Fauxpas mit dem grinden Maibock wieder ins rechte Lot hängen, um sein Versprechen in die Wahrheit umzumünzen, nämlich der Josepha einen hieb- und stichfesten Ehevertrag in den Busenausschnitt stecken, wie es der alteingesessene schubiakische Brauch wollte, von dem man munkelte, er sei für vieles zu haben, nur nicht zum geschäftlichen Austausch verbindlicher AGBs.

Aber darüber ließe sich streiten, murmelte Wosniak, der Dipl.-Ing. mit dem Dr.. Murmelte es anschwellend erzürnt, nachdem er über den Daumen gerechnet schon mehr als 240 Mal das Suchwort Josepha-Clementine-Aurelia-Tarzisia-Walburga eingegeben hatte, den vollständigen Namen seiner ihm verluderten Angebeteten. Ohne Erfolg. In seiner Verzweiflung tippte er den Begriff Huberer ein. Und was soll man sagen! Vieltausendfach schüttete der Google-Apparat Treffer über Treffer aus.

Nur die Josepha, die war nicht dabei.

„Noch nie“, erboste sich Klöpper, „noch nie habe ich einen derartigen Schwachsinn zu Papier gesehen. Was hat denn dieser Quark mit deiner Lebensbeichte zu tun? Deinem sogenannten Roman?“

„Es kommt noch dicker“, tröstete ich den Kumpel. Wir hoben die Halbliterflaschen, den Weizen zu bezwingen. Ruhe kehrte ein, Zufriedenheit bedeckte alle Zweifel, und auch Katja kam nicht herein.



4.0 Schuld

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