Das Werkeln der Weibin

Das Werkeln der Weibin

Basteln statt shoppen!

Dieser Aufruf verhallte keineswegs in den Fluren unser heimischen Behausung. Im Gegenteil, er traf meinen Kreativnerv wie der Amorpfeil, der im dösigen Friesen die Liebe erweckt. Shoppen geht ja eh nicht mehr.

»Du wirst dich freudig wundern!« rief ich der Weibin zu, die im Nebenzimmer werkelte, »diesmal wird unsere Weihnachtsecke im Glanz exquisiter Artefakte von des Meisters Hand erblühen.«

Falls dir das Wort Weibin nicht geläufig ist: das ist meine gendergerechte Verbesserung von ›Weib‹, der alttestamentarischen Umschreibung für Frau, nämlich für die Frau, die im Hause weilt, west (Heidegger) und wuselt.

Gerade müht sich die Weibin, aus einem einzigen Stück Papier einen doppelstöckigen Stern zu falten mit Zacken, Ecken, Knicken, Eselsohren und scharfen Kanten, ein Irrsinn, denn die pieselige Fummelarbeit könnte ebenso gut mit einer Rolle Packpapier, Schere und Kleister erledigt werden, aber was sage ich.

»Ich werde eine Kiste bauen«, verkünde ich, »eine solide große Holzkiste.«

Die Weibin, mit dem Knicken einer Doppelfalz beeinträchtigt, lässt ein zweideutiges »Mmh« ertönen.

»Bretter für die Seitenteile habe ich im Schuppen gefunden. Zusammen mit Leisten, Leim und Schrauben erfordert es nun kühne zupackende Handwerklichkeit.« Es kommt Bewegung in die Mundwinkel der Zweitbewohnerin, hier als Weibin gepriesen. »Wozu brauchen wir eine Kiste? Ausgerechnet zum Heiligabend?«

Na wozu wohl. Schuhe könnte man hineinstellen. Oder einen Eimer Löschwasser, falls das Haus abbrennt. Als Ersatz für das Bügelbrett kann ich mir die Kiste auch gut vorstellen. »Ein kleines Problem gibt es noch«, gebe ich zu bedenken, »der Tannenbaum muss hochgestellt werden, um darunter Platz zu schaffen, am besten auf den Tapeziertisch.«

Klar, dass jetzt die Frage kommt.

»Willst du den Baum tapezieren?«

Ich sage nix dazu. Weil ich mich auf unsere Weihnachtsecke mit all den Geschenken freue. Hunderte raffiniert gefaltete Papiersterne in den leuchtendsten Farben. Und eine selbst gebastelte Holzkiste unter dem Tapeziertisch. Jetzt muss noch die Spitze des Baums abgesägt werden, da er sonst an die Decke stößt.

Euer Heinzi

(Friesländer Bote, 19.12.2020, letzte Seite)

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