Anfang des Jahres 2006 platzte einem Herrn aus Bayern der Kragen. Seit Monaten hatte er sich von einem fremdartigen Laut bedrängt gefühlt, der seiner Muttersprache das Herz aus dem Jankerl bzw. aus dem Dirndl zu reißen drohte. Dieser Laut klang nicht nur exotisch, sondern, wie man heute sagen würde, regelrecht migrantisch. Immer mehr Leute nahmen diesen Laut in den Mund und spuckten ihn wie selbstverständlich aus, und der Bayernherr sah sich geradewegs in einer Sprachüberfremdung ertrinken. Der Laut bestand aus einem knappen Wort, dem Abschiedsgruß »Tschüs«.
Im Februar schließlich war es zu viel für den Herrn, seines Zeichens Vorsitzender vom »Bund Bairische Sprache«. Er erlitt eine trutzige Aufwallung, erklärte die Gemeinde Gotzing zur »Tschüssfreien Zone« und rammte am gleichen Tag ein Verkehrsschild mit eben diesem Warnhinweis vor das Wirtshaus »Gotzinger Trommel«. In Bayern, so wütete er, seien allein ›Pfiat di‹, ›Habe die Ehre‹ oder ›Servus‹ beim Verabschieden üblich.
Da wir das Jahr 2020 verabschieden, nehme ich diese Episode zum Anlass, um über korrekte Abschiedsformeln nachzudenken. Sollten wir Friesen nicht auch den richtigen Gruß einfordern? Wo uns heute die Blockwarte der korrekten Sprache so unerbittlich auf die Finger hauen? Wie wäre es, an den Ortseingängen von Varel und anderen Friesenorten Schilder aufzustellen mit dem Hinweis »Servusfreie Zone«? Wobei, mit ›Servus‹ verbindet so mancher eine Klopapiermarke, und Servusfreie Zone, das hatten wir schon … aber spülen wir die alten Kalauer dahin, wo sie hingehören, in den Abfluss.
Wir Friesen sind auf Gedeih und Verderb dem Tschüs verpflichtet. Wir beharren auf Tradition, Gummistiefel, karge Mimik, Kurzdialog (Moin, mutt ja, Tschüs). Nebenbei: Das ›Pfiat di‹ hatte ich lange Zeit mit ›Verpi… dich‹ übersetzt und auch nie Probleme damit gehabt. Das muss doch zu denken geben.
Zu denken gibt auch ein anderer Sprachtrend: das sich mediterran gebende »Ciao«-Gesäusel. Trotzt dem Weißbrot! Klappt die Rollläden herunter! Stellt Schilder auf: »Ciaofreie Zone!« Denn bei uns blüht der Matjes, und es dampft die Pinkelwurst.
Köm statt Grappa!
Euer Heinzi
(Friesländer Bote, 02.01.2021, letzte Seite)