Ich weiß, ich weiß, ich weiß. Jedes Mal, wenn ich Tante Margret und Onkel Paul besuche, verrutscht mir die Sprache, meine Gedanken fliehen ins Unaussprechliche, dunkle Phantasien umwölken den Kaffeetisch und zu guter Letzt schmeißen mich die beiden raus. Weil ich mich wieder einmal über Todesfälle und Bestattungen ausgelassen habe sowie über das damit einhergehende Ungemach. Kurz, die beiden fühlen sich von mir bereits in eine modrige Gruft gestoßen, verbal eingeäschert.
Dies zu vermeiden war ich diesmal berufen. Zur Unterstützung hatte ich Rauhaar Klopstock mitgebracht, der noch jede brenzlige Situation mit seinen Flatulenzen erstickt hat, Geruchsböen, die einen Sargträger zum Wanken gebracht hätten. Wie komme ich jetzt auf Sargträger?
»Was man nicht alles im Internet finden kann«, gab ich mich leutselig, »sogar die letzten Worte von Verstorbenen.«
Margret starrte mich an, lauernd. »An wen dachtest du denn dabei? An Leute, die alt genug sind, um über ihre letzten Worte nachzudenken? Vielleicht an eine Person, die sich hier im Raum aufhält?«
In diesem Augenblick stoppte ein olfaktorischer Vorfall ihren Redefluss. Klopstock hatte einen Pups unter die Tischdecke exponiert. Fenster wurden aufgerissen, Raumspray versprüht, Flüche ausgetauscht. Ich nahm den Gesprächsfaden wieder auf. »›Alles langweilt mich.‹ Das waren die letzten Worte von Winston Churchill. Und Konrad Adenauer verfügte streng: ›Da gibt es nichts zu weinen.‹ Na na, man wird seinen nahen Tod noch bedauern dürfen, wie Ludwig van Beethoven, der lamentierte: ›Schade, schade, zu spät!!‹ Da schwingt Anteilnahme für die Hinterbliebenen mit, die mit ihm zu lange warten mussten.«
Onkel Paul wurde laut, sehr laut. »Willst du damit andeuten, dass wir beide überfällig sind? Dass wir uns unberechtigt am Leben erhalten? Willst du das sagen?«
Beethoven hatte auf seinem Sterbebett ja nur bedauert, dass er die letzte Lieferung Wein nicht mehr genießen konnte. Aber bevor ich es klarstellen konnte, fand ich mich vor der Haustür wieder, und Klopstocks Geruchsattacke, wiewohl gut gemeint, verpuffte im Vorgarten, zur Unfreude des Nachbarn.
Euer Heinzi
Friesländer Bote, 20.03.2021, letzte Seite