Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht neue Offenbarungen über Rassismus, Diskriminierung, Gender-Gap oder kulturelle Diversität erfahre. Was mich dazu nötigt, meinen Wortschatz permanent anzupassen, um nicht – noch so ein eingestanztes Rollenstigma – als ›alter weißer Mann‹ diskriminiert zu werden.
»Immerhin«, sage ich zu Kollege Klöpper, »hält einen das auf Trab, quasi geistige Verjüngung.« Klöpper versteht mal wieder Bahnsteig. »Auf Okinawa«, sagt er, »werden die Leute steinalt, weil sie bis an ihr Lebensende arbeiten. Nix Rente, nix Sofa, nix Malle-Urlaub das halbe Jahr über.«
Ich lass das stehen, wahrscheinlich eh alles Quatsch. Da, in der Zeitung entdecke ich eine neue feindliche Sprachübernahme. »Die Namen«, lese ich laut vor, »die man beim Buchstabieren verwendet, also Anton für A oder Berta für B, müssen geändert werden. Weil sie nicht die kulturelle Diversität widerspiegeln. Ganz schlimm: Nordpol für N. Das steht für Antisemitismus pur, denn der Nordpol ist der Ort, wo laut den Nazis die Arier herkommen.«
Klöpper sitzt still und starr, vermutlich von Nordpol gebissen und mit arischer Hirnfäule infiziert. »Deshalb«, fahre ich fort, »sollen künftig Städtenamen die alten Namen ersetzen.«
»Aha«, macht Klöpper, etwas benommen, »also wird Wilhelm für W durch Wilhelmshaven ersetzt, Ludwig für L durch Ludwigslust und Otto für O durch Ottobrunn?« Ich öffne den Kühlschrank, ich brauche dringend ein Weizen. Klöpper zieht eine Grimasse. »Schon gut«, lenkt er ein, »dann also O wie Oslo, M wie Murmansk, T wie Tromsö und R wie Reykjavik.«
Kommt mir tendenziös vor. Fast schon rassistisch. Klöpper sackt ab, Grübelpose. »Warum nicht die Namen menschlicher Körperteile nehmen«, schlage ich vor, »zum Beispiel Arm für A, Bein für B, Cupula für C, Drüse für D…« »Halt mal«, fährt Klöpper hoch, »Cupula? Was ist denn eine Cupula? Eine Art Warze?« »Ach woher, aber wo du es sagst: Warze steht dann für W, Leber für L, Penis für P und Schorf für Sch.«
»Nordpol!« ruft Klöpper, »jetzt hab ich’s endlich. Nordpol wird durch Narvik ersetzt. Politisch korrekt, nazifrei und genderneutral.« Er geht zum K wie Kühlschrank und schnappt sich ein W wie Weizenbier.
Euer H wie Heinzi
(Friesländer Bote, 30.04.2021, letzte Seite)