Langsam kommt es mir verdächtig vor. Überall und in jedem Forum wird über die ›personalisierte Werbung‹ gewarnt, geschimpft und der Stab gebrochen, Stab, was sage ich Stab, solider Pfosten wäre treffender. Erst, so heißt es, sammeln sammelwütige Sammler weltweit unsere Daten, mit denen sie dann unseren Willen manipulieren, indem sie uns mit personalisierten Werbebotschaften zuschei- , äh zuschütten. Personalisiert deswegen, weil sie (die Sammler, personalisiert gesagt Jeff Bezos, fucking Zuckerberg und Co.) unsere Vorlieben und geheimen Begierden aus unseren Daten herausrechnen mittels raffinierter Formeln, diesen unheimlichen Algorithmen.
So weit hab ich das begriffen. Mir kommen auch nicht die Werbebotschaften an sich verdächtig vor. Sondern der Umstand, dass ich gar keine kriege. Man meidet mich. Man sabotiert mich. Ich gehe ins Internet, gucke hierhin und dorthin, vielleicht entdecke ich einen versteckten Hinweis, der mir eine Nasensalbe oder das Blasenpflaster meines uneingeschränkten Vergnügens offeriert, möglichst mit großspurigen Versprechen (›danach explodierende Potenz‹), und was finde ich? Nix.
Computer-Nerd Timo meint, ich müsse zuerst googeln, ein paar persönliche Begriffe, und keinen Kaffee später würde ich vor lauter Blasenpflasterwerbung nur noch auswandern wollen, Arktis, Nordkorea, wurscht, bloß weg hier, neue Identität, Zeugenschutzprogramm, denk dir selber was aus.
Gut. Eingetippt hab ich ›Atombombe‹ und ›Unterhose‹. Weil, ich hatte die Idee, dem Putin eine Mini-Atombombe in die personalisierte Unterwäsche zu schmuggeln und dann ab dafür. Was war der Erfolg? Eine magere Schlagzeile rechts oben am Monitor: ›Kenne deinen Krebs‹. Ich wieder hin zu Timo. Er: schlau. Ich: Fragezeichen. Er: »Echt, du hast mit Startpage gegoogelt, du Opfer? Versuch es mal mit dem Original-Google. Oder mit Instagram.«
Ich bin auf Instagram. Seit Jahren. Nix mit Shitstorm oder personalisierter Werbung. Was mach ich da falsch? Ich will auch eine personalisierte Werbung haben. Dann der Härtetest: Ich gab bei Original-Google die Begriffe ›pervers‹, ›abartige Sexualpraktiken‹ und ›Schweinkram‹ ein.
Keinen Kaffee später blinkte die personalisierte Werbung auf meinem Monitor: ›Kenne deinen Krebs‹.
Euer Heinzi
(Friesländer Bote, 22.10.2022, letzte Seite)