Flüchtling — Geflüchteter

FlüchtlingsausweisVor

Das Foto zeigt meinen Flüchtlingsausweis, ausgestellt am 9. Juni 1949. Es weist mich also als Flüchtling aus. Und darauf möchte ich eingehen.

Wer das Wort Flüchtling benutzt oder hört, dürfte an Frauen und Kinder denken, die geflohen sind, auch an alte Leute. Die Bilder von geflüchteten Ukrainern zeigen ebenfalls Fauen, Kinder, alte Leute, Verwundete, Kranke. Was zeigen die Bilder nicht? Männer. Beim Wort Flüchtling schwingen Assoziationen, Gefühle und Vorstellungen mit wie Leiden, Vertreibung, Elend, Wut und abgrundtiefe Trauer.

Flüchtling: Das sagt mehr aus als die bloße Kategorisierung oder Definition von Leuten, die vor etwas geflüchtet sind. Es ist aufgeladen mit Gefühlen und inneren Bildern. Und das ist gut so.

Inzwischen ist es eitle Mode geworden, Flüchtlinge als Geflüchtete zu bezeichnen, weil »der« Flüchtling männlich ist und gegen Gendervorschriften verstößt. Aus einem Flüchtling mit all seinen Konnotationen wird ein Geflüchteter, bei dem es wurscht ist, ob er aus einem zerbombten Kriegsgebiet kommt, oder ob er vor dem Karneval auf die Inseln flüchtet, oder ob ein Mörder vor der Polizei flüchtet. Alles wird prahlerisch subsummiert unter dem Begriff »Geflüchteter«.

Will jemand ersthaft einen Menschen, der vor dem Geschrei des Nachbarn flüchtet, als Flüchtling bezeichnen? Oder den Verbrecher, der auf der Flucht ist? An diesen Beispielen treten die Unterschiede und sprachlichen Mehrschichtigkeiten zutage, die – es ist wohl nicht mehr aufzuhalten – von den genderfanatischen Blockwarten nivelliert und zusammengetrampelt werden.

Ich bin damals übrigens nicht aus Ostpreußen geflüchtet. Da konnte ich noch gar nicht laufen, also auch nicht weglaufen bzw. flüchten. Meine Mutter hatte mich sogar erst auf der Flucht geboren. Den Status »Flüchtling« bekam ich zurecht. Weil das Wort all diese Umstände mitbenennt. Im Gegensatz zum platten genderprotzigen Wort »Geflüchteter«.

Wer mich und meine Eltern und Großeltern, die ohne Habe aus Ostpreußen fliehen mussten, als Geflüchtete bezeichnet, verletzt unsere Würde. Wir sind bzw. waren Flüchtlinge!

Ob diese Feinheiten überhaupt die sprachverkümmernden Genderpolizisten erreichen?

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