Aus dem Mehlsack rieselte es. Rechts unten, da, wo die Naht die Bohlen der Wohnstube berührte, hatte sich eine Handvoll Mehl angehäuft. »Mehlsack!«, hatte der Bauer Ferdi noch gerufen, »deine Leckage wird dir bei der Fahrprüfung zum Verhängnis werden. Denk daran, der Fahrlehrer Kuno, der auch der Traumatische genannt wird, kennt kein Pardon, wenn es um Vorfahrt und Halteverbot geht.«
Man muss wissen, dass der Mehlsack schon 12 Fahrstunden absolviert hatte und jede Tour bravourös durchmessen hatte, ohne ein Stäubchen Mehl zu verkleckern. Selbst Kuno, der Scharfrichter und Henkersknecht unter den Fahrlehrern, hatte seinen Krummsäbel stecken lassen, mit dem er die Schüler nach dem kleinsten Fahrfehler eins überzubraten gewohnt war, so dass manches Mal das Blut spritzte. Zur Strafe musste der Delinquent die Sudelei auf der Frontscheibe mit seiner Kreditkarte abkratzen und das Armaturenbrett ablecken. Meta Harms vom Fliederweg 34 meinte, die Stadt habe kein gutes Los gezogen mit dem Kuno. Aber da hatte sie nicht mit ihrem Nachbarn Enno Janssen gerechnet. Der fuhr ihr rechthaberisch in die Parade und bollerte, den ungezogenen Fahrschülern müsse man sogar die Ohren über den Schädel ziehen, bis man die Enden miteinander verknoten könne und dies auch tue, denn früher, da war alles besser, und die Jugend habe noch pariert und den Lehrern einen Schweinebraten zugesteckt, da machte der Fahrlehrer keine Ausnahme. Heuer säßen ja schon Mehlsäcke hinter dem Steuer, und ehe man es sich versieht, verpuffen die Mehlaustragungen, denn so ein Mehlsack hat immer ein Loch im Eimer, also sprichwörtlich. Ich möchte dich sehen, liebe Meta, wie dir zumute ist, wenn die Mehlverpuffung deine Dauerwelle bis auf die Kopfhaut versengt. Ob du da auch noch über den Herrn Kuno stänkern würdest. Der nämlich«, hier holte Enno Janssen zum finalen Schlag aus, »kennt Mittel und Wege, um den Säcken samt und sonders Mores zu lehren, ich sage nur Krummsäbel.«
Über ihren Disput zu Kunos Erziehungsmaßnahmen verpassten die beiden den Unfall drüben an der Kurve. Der Mehlsack hatte grad seine praktische Fahrprüfung begonnen, Gas gegeben und den Pensionär Hans-Peter Eisenstuhl über den Haufen gefahren. Kuno blieb seinem Ruf treu, und es dauerte Tage, um die Straße vom Mehl zu reinigen. Und natürlich die Frontscheibe des Fahrschulautos. Und das Armaturenbrett.
Nächstes Mal erzähle ich von Heiner Merklein, dem liebestollen Finanzbeamten.