Land- oder Stadtleben? Wer gewinnt? Und wieder dient der Berliner als Prototyp des Großstädters.
Musik Aus den (geduckten) Fischerhütten schallt es, aus Gemeindehäusern ebenso wie aus dem Saal des Landgasthofes: folklorisches Lied- und Liebesgut („Dat du min Leevsten büst“), aber auch Heimatlieder in modernen Arrangements mit Begleitung von Schifferklavier und Guitarre sowie Schlager aus vielstimmigen Kehlen. Traditionsreiche Singvereine („Harmonie“ – „Gut Schluck“ – „Frohsinn“ – „Zur Eintracht“ – „Blüh auf“) mit bestens situierten & gereiften Sangeskünstlern (ab 75 Jahre aufwärts) bewahren das rechte Herz auf dem musikalischen Fleck. Daneben schießen allerorten Shantychöre aus dem Nebel, die das Gospelgut schwarzhäutiger Kartoffelpflücker (dort: Baumwolle) in die Fischerhütten (hier: geduckt) tragen. Ein Wohlklang, bei dem manche Träne bricht vor Ergreifung.
Nur im Suff oder nach Einnahme von K.O.-Tropfen lässt sich das kakophonische Gerumpel & der Töneschrott in Berliner Szeneschuppen ertragen. Keine Harmonie, kein Refrain zum Mitsingen, keine liebesäugelnden Texte mit Hintersinn oder überhaupt Sinn. Der Berliner behauptet (was für ein Tropf), aus den computergenerierten Pseudoklängen Geräusche zu hören, die er mit dem Wort Musik verbindet. Wohingegen dem normalen Menschen (dem Friesen) dabei Bilder aufsteigen von Ruinen, Brandwunden, 9/11, Krebsgeschwüren, Müllhalden und Schiffsfriedhöfen. Nein danke.
Fashion Was das Modebewusstsein der Friesenländler angeht, so kann es gar nicht hoch genug gepriesen werden. Immer auf dem neuesten Stand „von der Stange“, immer den Blick in das Schaufenster des dörflichen Modegeschäfts geworfen, wenn der Einkauf auf dem Wochenmarkt erledigt ist und Brathering, Tomaten & Spezereien eingetütet sind. Mal wird ein robustes, strapazierfähiges Jackett in die engere Wahl gezogen, mal ein kariertes Baumfällerhemd, mal auch eine ästhetisch gewagte Jeans dazugelegt. Dem Auge stets wohlgefällig.
Sollte der Friese die Fashion-Events in der Großstadt besuchen, muss er sich auf grauenhafte Verkleidungen gefasst machen. Denn der Berliner vertraut nicht seinem Geschmack, den er nicht hat, sondern den Einflüsterungen der Influencer, die ihm, dem Trottel vor dem Laufsteg, vorgaukeln, er könne seine nichtige Erscheinung aufhübschen, indem er – ein Must have – Pinstripe Suits anlegt, weiße Sneaker, weiße Socken (farbige seien absolutes No-Go), Chelsea Boots, oversized Vinylhosen (Slim fit sei out), dazu eine Armbanduhr ohne Bling Bling für 3500 Euro. Sogar auf den vorgeblichen Trend zur „Antifashion“ fällt er rein, bei der es darauf ankommt, sich so schlecht wie möglich anzuziehen, und so stelzt der Dauerstänkerer stylisch durch die Gegend, ein Geisteskranker, der offenkundig aus einem Altkleidercontainer entsprungen ist. Eine Lachnummer, die der Berliner nicht durchschaut, woher auch.