Schwarmintelligenz

Schwarmintelligenz

»Guck«, sagte ich zur Weibin in unserer Küche, »die Evolutionslehre hat aufgedeckt, dass wir vom Affen abstammen, und die Psychoanalyse, dass wir Affen nicht Herr über uns selbst sind, sondern von Trieben aus dem Unterbewusstsein gesteuert werden – mithin«, so schloss ich, »liegt unser Wohl und Wehe …« Da war die Weibin schon zur Hintertür hinaus.

Ich hatte zum Begriff ›Schwarmintelligenz‹ hinführen wollen, ein Erklärungsmodell, das wie viele andere die Wirrnis unseres Daseins zu ordnen sich anmaßt. ›Evolution‹ und ›Psychoanalyse‹ vergnügten sich noch zwischen Spüle und Kühlschrank, da klopft Kollege Klöpper an die Tür. »Kannst du dich an die Chaos-Theorie erinnern?«, rufe ich, bevor er Moin sagen kann, »oder an diesen Hype mit der Kybernetik? Die Spieltheorie war auch mal topaktuell, dann die Selbstorganisation und die Schwarmintelligenz, fast schon Heilslehre, nach der die Gruppe schlauer ist als der Einzelne.«

Klöpper setzt sich. »Wenn du mit Schwarmintelligenz das Verhalten der Lemminge bezeichnest, na dann Halleluja.«

Klöpper kann einen ganz schön herunterziehen. »Was ist mit den Querdenkern«, stochert er ungerührt in seiner Negativsoße, »oder mit diesem anderen Schwarm, die Leute, die glauben, dass Bill Gates die Welt unterjochen will und dass die politische Elite sich Kinder in Kellern halten, um deren Blut aufzusaugen. Zählt das unter Schwarmintelligenz oder schon unter Schwarmterror?« Klöpper ereifert sich. »Ich frage dich, hat die Schwarmintelligenz den Klimawandel verhindert, hat sie das?«

»Die sozialen Netzwerke«, wende ich ein. Klöpper schnaubt. »Die Verblödung im Netz willst du mir nicht ernsthaft andienen, mit dem Hass, den Fake News und dem Verschwörungsquatsch. Schwarmdummheit würde es besser treffen.« Klöpper wischt sich Schaum von der Lippe. »Und noch was, für die Folgen, die ein Schwarm verursacht, egal, was für ein Mist herauskommt, kann niemand zur Verantwortung gezogen werden. Da ist ja keiner, der das auf sich nimmt.« Klöpper stapft raus. Was war das denn?

Ich überlege, wie viel Personen nötig sind, um als Schwarm zu gelten, für dessen Handeln keiner geradestehen muss. Vielleicht reichen ja zwei Personen. So wie in einer Ehe.

Euer Heinzi

(Friesländer Bote, 29.05.2021, letzte Seite)

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