Vererben ist Mist

Vererben ist Mist

»Wem wollt ihr eigentlich euren ganzen Reichtum vererben?«, frug ich im Tonfall wohlmeinender Sorge. Onkel Paul hatte sich gerade eine Ladung Schlagsahne auf seinen Teller geschaufelt. Unsere Kaffeegesellschaft genoss den Duft der Röstbohnen, und ich hatte den selbstgebackenen Pflaumenkuchen von Tante Margret ausgiebig gelobt und ein drittes Stück auf meinen Teller gehievt als Bestätigung für ihre Backkunst, welche »jedem Konditor zur Ehre gereichen würde«. Ein friedliches Mampfmeeting unter Verwandten. Das anfängliche Misstrauen der beiden war gewichen, denn ich hatte nicht wie sonst das Gespräch auf Begräbnisse und altersbedingte Unwegbarkeiten gelenkt.

Der Pflaumenschmaus war mir dann aber so aufs Gemüt geschlagen, dass mir diese vermaledeite Frage rausgerutscht war. Paul bekam einen Hustenanfall. Margrets Kaubewegung erstarb. »Wie das?«, frug sie, und sie spuckte einen Pflaumenstein auf die Untertasse, »will er mir mal erklären, was er damit meint?« ER? Plötzlich dritte Person. »Mir scheint«, hub Paul an zu keuchen, und ich wunderte mich, dass er nicht hochfahrend »mich deucht« näselte, »mir scheint, der Bub verkümmert, und zwar dahin, wo ihn der Pfeffer in den Hintern beißt.«

Die Margret ward nun stille. Vielleicht, so mochte sie denken, ist es doch nicht mehr weit mit der Vererberei, man hört die Glocken läuten, und die Ewigkeit naht. Laut herrschte sie Paul an: »Was redest du da? Bist deppert?«

Die beiden hatten das ›deppert‹ aus dem Österreichurlaub mitgebracht. Dass sie aber meinen Vererbungshinweis auf ihr Ableben bezogen, hätte ich mir gleich denken können. Jetzt saß ich da als Unheilsverkünder. Beklommen versuchte ich zu vermitteln. »Der Daniel Craig, das ist der James-Bond-Darsteller, der hat gesagt, dass er nix vererben wird und dass das Vererben abgeschmackt sei. Wenn ihr auch so denkt, was soll dann mit eurem Haus passieren, wenn ihr nicht mehr seid? Das muss uneigennützig bedacht werden, versteht ihr?«

Sie haben es nicht verstanden. Es fielen Worte wie Erbschleicher, Hallodri, fauler Nassauer. Und beim Pflaumenkuchen, da hätte ich so ein schiefes Gesicht gemacht. So ein Judasgesicht.

Euer Heinzi

(Friesländer Bote, 28.08.2021, letzte Seite)

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