Wir haben Rauhaar Klopstock falsch erzogen. Sonntagabend, Tatort hat grad angefangen, steht der Hund vor der Stubentür (sagt man noch Stube zu dem Bereich, wo Sofa, Stehlampe, Fernseher und Couchtisch stilvoll arrangiert sind als Nachweis eines formidablen Geschmacks?), also Klopstock steht, vom Sofa aus gesehen, auf der gegenüberliegenden Seite der Stubentür, nämlich flurseitig (oh mein Gott, höre ich die Weibin keuchen), Ruhe da, der Hund also harrt vor der Tür und gibt einen Laut von sich wie das ersterbende Schluchzen eines Kindes, das seines Lollies beraubt wurde. Ich bin angehalten, aufzustehen und den Hund hereinzulassen. Klopstock zockelt zu seinem Kissen. Derweil streckt der Verbrecher im Tatort die lesbische Kommissarin zu Boden, sie schluchzt wie ein Kind, das seines Lollies beraubt wurde, aber nein, von hinten kommt’s, es ist Klopstock, der vor der Tür steht und zurück in den Flur will. Es kommt, wie es kommt. Nach achtmaligem Rein und Raus, wobei ich die obligatorische Pornoszene verpasse, schimpfe ich mit dem Köter. Der rollt sich beleidigt in sein Kissen und fängt an zu schnarchen. 20 Minuten vor Tatortende erhebt sich der gestärkte Hund und kratzt an der Terrassentür. Er will hinaus, sofort. Ich springe hektisch auf, denn es könnte ein Ungemach geschehen, die Flatulenzen hundeseitig kündigten so etwas an. Ich reiße die Tür auf. Klopstock schaut griesgrämig hinaus. Es nieselt.
»Ja was denn nu?«, rufe ich ungehalten, aber da liegt der Stubenhocker bereits wieder in seiner Kuhle und schnarcht.
Einen Erziehungserfolg muss ich melden: Klopstock bettelt nicht. Kommen Gäste zum Abendessen, legt er sich vor ihre Füße und flatuliert. »Ach, das ist nur der Hund«, sagen wir, damit kein falscher Eindruck entsteht. Die Gäste sitzen erstarrt. Sie wagen nicht zu atmen. Sie haben Angst. Der Hund wird sie beißen. »Das hat er noch nie getan«, wiegeln wir ab. »Einmal ist immer das erste Mal«, belehren sie uns. Sie kommen nie wieder.
Zum Schluss des Sonntagskrimis erschallt die Tatortmelodie, das Zeichen für Klopstock aufzuspringen. Er will in den Garten. Das Erkennen der Melodie hat er sich selbst beigebracht. Wir sind sehr stolz auf unseren schlauen Hund. Er ist die Freude unseres Lebens.
Euer Heinzi
(Friesländer Bote, 19.03.2022, letzte Seite)