Die Schwarze Null

Die Schwarze Null

Ich hatte Kollege Klöpper beiseite geschoben und war geradewegs in sein Arbeitszimmer marschiert, wo seine Frau Katja sich im bläulichen Schein des Computermonitors sonnte, um es mal mit dem euphorischen Impetus eines Mallorca-Frequentierers auszudrücken. Statt einer Sonnenbrille trug sie einen selbstgefälligen Hau im Gesicht, und wo man normal den Daiquiri ablegt, im Sand neben dem Handtuch, lagen hier Quittungen und Kontoauszüge neben der Tastatur. Es war die Zeit furchterregender Ahnungen, auch bekannt als die Zeit der Steuererklärung, mit Panikattacken angesichts der drohenden Privatinsolvenz, jedenfalls hockte dieses Signum wie ein Höllenhund auf dem Kamm meiner Zahlenkolonnen, und aus dieser Situation konnte mich nur Katja retten. Katja verwaltet im Hause Klöpper den Geschäftsverkehr, Überweisungen, überhaupt die Finanzen, während Klöpper allgemeinmenschliche Anliegen regelt: einen Fussel aufheben, bei der fraulichen Frauke über den Zaun gucken, eine Fliege fangen, Nasenhaare zählen, den Hochzeitstag vergessen, falsch flöten, solche Sachen.

»Schau«, sagte Katja und wies auf den Monitor, »Einkünfte und Ausgaben perfekt zur Deckung gebracht. Eine schwarze Null, wie Politiker sagen würden.« Ich konnte keine schwarze Null entdecken. Das einzig Schwarze war meine finanzielle Zukunft. »Du meinst«, sagte ich, »wenn man rechts von links abzieht, bleibt unter dem Strich nix übrig, also Null. Null ist nix, wo aber nix ist, kann auch kein Schwarz sein.« Über den Monitor flimmerten Exceltabellen. »Ach Dummerchen«, gurrte Katja, »mit Schwarzer Null wird ein positives Ergebnis ausgedrückt, quasi Hurra-Geschrei, Freudentaumel, Eigenlob vor allem.« »Okay, wenn also in meinem Portemonnaie nix drin ist als eine mumifizierte Motte, dann kann ich die Leere als positives Ergebnis meiner Finanzgeschäfte ausgeben, praktisch Gewinnüberschuss, oder, in den Worten der Politiker, eine schwarze Null.«

Katjas Einwände will ich hier nicht wiedergeben. Tatsache ist, dass sie mir wieder Lebensmut zurückgegeben hat, was sich auch in meiner Steuererklärung widerspiegelt. Um die Forderungen und Nachzahlungen zu begleichen, überweise ich einfach mein positives Ergebnis, eine Schwarze Null.

Euer Heinzi

(Friesländer Bote, 11.06.2022, letzte Seite)

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s