Das identitätsverletzende Jägerschnitzel

Das identitätsverletzende Jägerschnitzel

Ganz heikles Thema. Am besten gleich in den Schuhkarton werfen, Etikett drauf: Toxisch! Um Political Correctness geht es mal wieder, um Sprachzensur und um mehr. Mit den N-Wörtern sind wir ja inzwischen vertraut. Auch mit dem Z-Wort, da flutscht uns das ›Sinti und Roma‹ geschmeidig über die Zunge. Dennoch, angesichts der vielen neu auftauchenden No-Go-Begriffe komme ich schwer ins Trudeln. Beim E-Wort fällt mir ja noch der Inuit ein, und das L-Wort ersetze ich durch Samen (nicht die Tomatensamen, sondern die Lappen, hallo, nicht Topflappen, sondern das gleichnamige Volk ohne Topf, L-Wort eben). Auch das I-Wort ist eine Schlangengrube: Darf ich Indianer sagen? Wie wäre es mit Rothaut, oder ist das ein R-Wort und shitstormrollig?

Apropos Indianer. Wer sich als Indianer verkleidet, sagen wir beim Fasching, macht sich eines schweren Verbrechens schuldig. Weil er eine ›kulturelle Aneignung‹ begeht, belehren uns die Identitätswächter. Zudem bedient er negative Stereotypen, da erlöscht ganz schnell die Friedenspfeife, howgh.
Da schau: Ein nordischer Gastronom bietet eine Pizza Venezia an. Na, wenn das kein identitätsraubender Übergriff ist. Kulturelle Aneignung ohne Scham. Pizzen dürfen nur von beglaubigten Italienern hergestellt und angeboten werden!

Das Problem mit Rastalocken auf einem teutonischen Haupt kennt man aus der Presse. Hier wird die kulturelle Aneignung bis in die Haarspitzen getrieben. Und erst die Holi-Festivals. Während die Inder bei dem heiligen Fest geweihte Farben werfen, macht unser Hedonistenpulk daraus eine kreischende Juxparty.

»So besehen«, schlaumeiert Kollege Klöpper, »müsste die gesamte Rock- und Pop-Musik ausgemerzt werden, da sie die ureigenste Musik der, äh, N-Wörter, ausbeutet, siehe Elvis, von dessen Tantiemen das N-Wort praktisch nix hat als den Mittelfinger.«

Aber sind wir nicht selbst Leidtragende? Auf Schritt und Tritt stolpern wir über Touristen, die uns volksdümmelnd mit einen »Moin« anbratzen, eine kulturelle Aneignung schlechthin. Fehlte nur noch, dass sie Friesennerze tragen. Neulich habe ich einen Syrer in der Küche eines Italieners gesehen. In einem Fischerhemd. Das Jägerschnitzel habe ich nur unter Protest gegessen.

Euer Heinzi

(Friesländer Bote, 25.06.2022, letzte Seite)

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