Ein Wutwinter steht uns bevor, das scheint sicher. Über den Wutwinter können sich die Feuilletonisten geradezu wutbesessen erregen, so mein Eindruck. »Wutwinter, Wutwinter«, schallt es uns aus Zeilen und Zwischenzeilen entgegen, und wehe uns Angewüteten, denn wenn der Wutwinter anrollt, hat’s Spaltung der Gesellschaft und Aufruhr und Gewalt und Montagswüterei, Wutplakate, Wutfackeln, Wutgeifer, Wutwüten, das ganze Besteck. Na dann gute Wut, äh, gute Nacht Deutschland. Auswandern müsste man, weil, wenn man den Kommentatoren glaubt, keine Vernunft gegen den heraufdräuenden Wutsturm gewachsen ist, und wer sich dann, sagen wir am Wutabend, Berichtigung, Heilig Abend, auf die Straße wagt, bekommt den Wutschaum des vorbeistampfenden Wutvolkes ins Gesicht gespieen und wird in die Berme gefegt vom Wutorkan des wütenden Deutschvolkes, Wut, Wut, Wut. Da scheint es opportun, selbst die Wutstiefel anzuziehen und einen Wut-, sprich Molotow-Cocktail einzustecken und sich mit Wutgeheul den Wutkolonnen der Montagsdemonstranten anzuschließen und zum nächsten Rathaus zu wüten und wutgesäuert Wutkanonaden abzufeuern, da ist man sicher vor den anderen Wutsoldaten, denn wer wutgrölend mit den Wutbrigaden mitläuft gibt sich als ihresgleichen zu erkennen und braucht keine Wutjauche über sich ergehen zu lassen, und siehe, es eilen auch schon die Nachbarn auf die Straße und wüten und wutschnauben, dass es nur so brettert, die wollen schließlich auch nicht als Wutopfer am Wutgalgen enden, nee, schön mitmarschieren, Wutlieder kreischen und denen da oben (gegen die geht es, immer) den Wutfinger zeigen. Dazu fällt mir die Selbsterfüllende Prophezeiung ein, weißt du noch, Klopapier und Nudeln, auch da wurde vorhergesagt, nämlich ein Mangel, und dann stürmten die Leute die Läden aus Angst vor dem Mangel, und danach war das Klopapier alle, was bedeutet: Die Vorhersage hat den Mangel überhaupt erst hervorgerufen. Verstanden, aber die Wut, die kommt doch? Davon sind die Klopapier-, äh Medienfuzzis überzeugt. Am besten, man setzt schon mal die Wutkappe auf, um nicht als Außenseiter ins Visier zu geraten, und wem jetzt übel wird vor lauter Wutgeheul: Einfach das Wort Wut durch Liebe ersetzen und auf die Selbsterfüllende Prophezeiung hoffen.
Euer Heinzi
(Friesländer Bote, 17.09.2022, letzte Seite)