21. Die Prozession der gehörnten Studienräte

21. Die Prozession der gehörnten Studienräte

Von den Eskapaden des liebestollen Finanzbeamten Heiner Merklein hatte ich schon erzählt. Niemand in der Kleinstadt Kaltenhaven war in der Lage, die Zahl der von ihm gehörnten Ehemänner an den Fingern einer Hand abzuzählen, nicht einmal zwei Hände reichten, und die üblichen Witzbolde am Stammtisch der Gaststätte »Goldener Frosch« mahnten die Hinzunahme der Füße zum Aufzählen der Hintergangenen an, gähn, dann lieber noch ein Gedeck ordern und hinunterstürzen.

Gedeck: 1 Bier plus 1 Korn.
Als Absacker für den Heimweg servierte der Wirt das
Spezialgedeck Diabolo: 1 Liter Maibock plus 2 Fuseler Darmbrandbeschleuniger (Selbstgebrannter des Heimatdichters Gregor Fuseler)

Alsbald machte in der Stadt ein Konkurrent des Finanzbeamten von sich reden, der Tennislehrer Alois Grützberger. Der maßte sich an, dem Merklein den Stinkefinger zu zeigen, will sagen, dessen Verführungskünste ins Lachhafte zu ziehen qua Überbietung der Seitensprungstatistik.

»Die Elfriede vom Studienrat Blume«, zwinkerte Alois in die Runde der Gedecktrinker, ein Hinweis, bei dem keine Kuh in den Fladen treten würde.

»Gemach, gemach«, respondierte Müllerjan, Ewald, seines Zeichens der 2. Vorsitzende des Federweißer-Clubs, einem arrivierten Zirkel höhergestellter Sowiesohochgestellter, »mich deucht, (Gemanistensprech à la carte, aber hallo) der Elfriede ihr Mann (mmh…) werde ich meine Aufwartung avisieren müssen zum Behuf der Aufklärung und moralischer Empörungsarbeit.«

Alois winkte ab. »Vergiß es. Im Vergleich zur Amalie war das ein minderbedeutsamer Fall. Ihr kennt alle die Amalie, meine Herren, was für ein fleischgewordenes Verlangen.«

Heribert, der dritte im Bunde des Gedecktrinkertrios orderte eine neue Runde Gedeck für alle (es war außer ihnen nur noch der Bratenbrutzler Fidi Finkelstein anwesend) und sprach: »Recht hast du, aber mit der Amalie vom Studienrat Krawitzke ist es halt keine Kunst. Da musst du schon mehr draufpacken, Alois.«

Der, an seiner Ehre gepackt, hob den Vorhang und rapportierte die Liste seiner Bespringungsopfer, alles Ehefrauen von Studienräten des hiesigen Klopstock-Gymnasiums.

Am nächsten Tag wusste die ganze Stadt von den Begattungserfolgen des Tennislehrers. Denn der Finkelstein, Fidi, Bratenbrutzler der Brutzelbude »Bruzzelkolosseum« vor dem Haupteingang des Gymnasiums, servierte mit jedem Schweinemilzbraten (Spezialität!) eine delikate Enthüllung, die er im »Goldenen Frosch« aufgegabelt hatte, delikater noch als seine Schweineohrsuppe (Frittensud, Gummi Arabicum, Schweinebregenersatzpaste aus dem Edeka).

Am Tag nach dem Tag nach dem Bekenntnistag des Alois, dem 14. Februar (vormals Valentinstag), erregte das Wurst- und Käseblatt der Region, der »Kaltenhavener Bote«, die Gemüter der Leser mit dem Aufmacher »Die Prozession der gehörnten Studienräte«. Der Artikel listete (»aus gut unterrichteten Kreisen«) die Namen der vom Tennislehrer Alois Grützberger gehörnten Studienräte auf (es waren derer 18) und zeigte auf einem halbseitigen Foto 18 stattbekannte Studienräte, die im Gänsemarsch um das Haus des Tennislehrers trotteten. Einer trug das selbstgebastelte Transparent »Dem Himmel sei Dank«, ein Düpierter, der eine zweite Meinung eingeholt hatte, wie er oberlehrerhaft zu Wissen gab.

Als Folge des Aufmarsches wurden die Studienräte suspensiert und das Gymnasium für drei Monate geschlossen. Klopstock sei besudelt worden, schrieb Studiendirektor Flemming in einer Stellungnahme, das Deutsche habe Schaden erlitten, über allen Wipfeln nur Morast.

Die Studienräte packten ihre Koffer. Sie verließen den Ort in alle Richtungen, ihre Frauen in die andere Richtung.

Seitdem wird der 14. Februar in Kaltenhaven als Gedecktag gefeiert, eine unfreiwillige Zweideutigkeit mit Karnevalscharakter. Die Männer verkleiden sich als Studienräte und treffen sich zur Prozession um das Haus des Alois Grützberger. Ihre Frauen gehen nacheinander mit dem Alois fremd, und am Abend treffen sich alle im »Goldenen Frosch«, helfen dem Alois wieder auf die Beine und ordern ein Gedeck. Und noch eins. Heimatdichter Gregor Fuseler steuert den Zweizeiler

Jeckenfick und Hörnerklang
Klopstocklehrer mittenmang

bei, Kantor Ephraim Nettelbeck intoniert darauf einen Kanon, und nun alle:

Jeckenfick und Hörnerklang
Klopstocklehrer mittenmang

Danach noch ein Gedeck, bittschön, und noch eins. Und daraufhin das Spezialgedeck Diabolo, jetzt nicht aufgeben. Bei Anbruch des Morgens werden die Fusilierten von der Jugendfeuerwehr nach Hause geschleift.

Nächstes Mal erzähle ich von den Knöllchen der Koslowskis

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