Wahn & Ekstase

Wahn & Ekstase

Wahrscheinlich glaubt mir das keiner: Ich schreibe alle Texte mit dem Bleistift. Einen, den man noch anspitzen muss. Ja, guck nur so eulig. Ich erwähne dies, weil ich hinten in der Schublade den Druckbleistift wiedergefunden habe, mit dem ich nie zurechtgekommen bin. Und was glaubst du? Nach einen kurzen Anlernphase juckelt der nur so über das Papier, da kommen meine Gedanken kaum hinterher.

»Du wirst noch zum Technik-Nerd«, warnt die Weibin vom Sofa her, »die Schreibmaschine mit dem Kugelkopf bleibt aber im Keller. Treib’s nicht zu weit.«

Timo, der echte Computer-Nerd, meint, wo ich schon so ein komplexes Gerät wie den Druckbleistift mit integriertem Radiergummi bedienen kann, könnte ich mich gleich bei Apple als Programmierer bewerben. Lauter Clowns um mich herum.

Noch was: Ich habe angefangen, die Spiele von Werder Bremen zu verfolgen. Mitleid kennt halt keine Grenzen. Mein Insider-Tipp: Um Werder Bremen in der Tabelle zu finden, muss du am besten von unten anfangen. Sogar den Namen des Trainers kenne ich (Kohlfeld, falls mich einer prüfen will). Kollege Klöpper schüttelt den Kopf. »Erst die Sache mit dem Druckbleistift, jetzt auch noch Ultra-Fan von Werder und morgen Hooligan. Mann, das riecht nach Wahn und Ekstase. Nimmst du deine Tabletten auch regelmäßig?« Clowns, überall nur Clowns.

Wo ich schon so fortschrittlich voranpresche in diesen Zeiten der Corona-Enklave, greife ich eine aktuelle Praxis auf, mit der ich Kuscheltherapeutin Susanne aus ihrem Vintage-Haushalt erlösen werde. »Wir könnten in Zukunft skypen«, gebe ich mich technik-affin und überhaupt auf dem Top-Level der medialen Entwicklung. »Oder diese Sache mit dem Zoom, digitale Konferenz und das alles.«

Susanne tut unnötig begeistert: »Dann muss ich mir auch noch deine Pickelnase angucken zusätzlich zu dem krausen Zeug, das aus deinem Mund quillt? Na vielen Dank, aber ein Gutes hätte es schon, dann weiß ich wenigstens, dass du nicht auf dem Klo sitzt, wenn du mit mir telefonierst.« Clowns halt.

Ich geh wohl besser unter die Rapper und schreib Rap-Gedichte, so gangsta-mäßig. Mit dem Druckbleistift.

Euer Heinzi

(Friesländer Bote 30.01.2021, letzte Seite)

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