Jedes Jahr, drei Tage vor Heiligabend, findet in der Kreisstadt der Konvent der Bademeister statt mit Vorträgen, Diskussionen und Abstimmungen, und es gilt als offenes Geheimnis, dass die Bademeister wegen eines ganz anders gearteten Ereignisses herbeiströmen: wegen der Tagungspause zwischen 12 und 13 Uhr, bei der traditionell Käsewürstchen gereicht werden. Jeder der Bademeister aus den sieben umliegenden Ortschaften hat es sich zur Angewohnheit gemacht, ein paar Käsewürstchen zusätzlich auf seinen Pappteller zu legen. Diese Käsewürstchen verschwinden im Laufe der Tagungspause regelmäßig in den Taschen der Bademeister. Nach der Sitzung und der Aussprache über Probleme der Bademeisterei, hier sei nur das Mickergehalt der Bademeister erwähnt oder die Flusenreinigung nach dem Vollkörpertextilschwimmen, verstauen die sieben Bademeister ihre verstohlen gehorteten Käsewürstchen in ihre Rollkoffer, und ab geht es heim zu Frau und Familie.
»Was hast du wohl diesmal mitgebracht?«, drängt schon an der Haustür die Frau des Bademeisters Schlotterbeck, »es wird doch nicht ein Kugelschreiber sein?«
»Ach i wo«, antwortet der und zwinkert ihr zu.
»Oh!«, ruft seine Frau erregt, »dann ist es gar ein Eishockeyschläger!«
Lange kann Schlotterbeck das Geheimnis nicht wahren, und so platzt er heraus: »Diesmal sind es leckere Käsewürstchen!«
»O mein Gott«, ruft die Frau des Bademeisters, wirr vor Glück über soviel Fürsorge, »hoffentlich sind es auch genug Käsewürstchen. Heut hat sich nämlich meine Mutter zu Besuch angemeldet, und die verdrückt gut und gerne 10 Käsewürstchen.«
Nun, Bademeister Schlotterbeck hat vorgesorgt und 23 Käsewürstchen eingesteckt. Auch die anderen Bademeister können ihre Angehörigen mit einer Tasche voll Käsewürstchen befriedigen. Die Frau des Bademeisters Schulte versteigt sich dabei zu liebestoller Schmeichelei: »Gediegen, mein Manfred«, gurrt sie, »diesmal schmecken die Käsewürstchen wie aus einem Guss.« Das hört Bademeister Schulte gern, und als er drei weitere Käsewürstchen aus seinem Rollkoffer zaubert, wird er von einer ehelichen Gunst überfallen, die keine Wünsche übrig lässt.
Alle Bademeister der sieben Ortschaften durchleben in dieser Nacht den jährlichen Höhepunkt ihres Ehelebens, dank der Käsewürstchen.
Habe ich schon berichtet, dass die sieben Ortschaften inzwischen den Bademeisterkonvent auf den Heilig Abend verlegt haben? Da gibt es unterm Weihnachtsbaum ein Tuscheln, Aufregung und schiere Vorfreude, die Weihnachtskerzen werden angezündet, und die Kinder flüstern in fiebriger Erwartung: »Gleich kommt der Bademeister mit den Käsewürstchen.«
Nächstes Mal erzähle ich vom Daumen der heiligen Quartus.