Der Daumen des heiligen Quartus liegt in einer Glasvitrine. Die Vitrine, rechts neben der Rezeption des Hotels »Goldener Frosch«, wird von zwei LED-Lampen angestrahlt und ist ein echter eyecatcher. Warum man das Hotel nicht »Goldener Daumen« genannt habe, fragen allerdings viele Hotelgäste beim Einchecken. Sie umringen die Vitrine und betrachten die Reliquie von allen Seiten.
»Der Quartus muss sich als Köhler verdingt haben«, sagt eine Dame naserümpfend, »so rußig wie der Stumpen ist.« Sie ist aus dem Westerwald angereist, um die Heiligkeit des Quartus auf sich einwirken zu lassen, aber jetzt, beim Anblick des Daumens, ist sie enttäuscht und fühlt sich von der Reiseleitung geprellt.
»Ha«, schnauft ein dicker Herr neben ihr, »der Quartus könnte auch ein starker Raucher gewesen sein.«
»Dann wäre der Daumen seiner Heiligkeit aber vom Gilb überzogen«, widerspricht die Dame und lässt versehentlich einen Furz fahren, »oh Pardon.«
Ein älterer Herr schiebt sich nach vorn. Er wischt mit seinem Zeigefinger am Glas der Vitrine entlang, so, wie Handynutzer auf dem Monitor herumwischen, um ein Foto auf Instagram anzugucken und dann wieder wegzuwischen. »Da«, sagt er, »unter dem Daumennagel steckt Dreck. Mir scheint, der heilige Quartus war ein rechter Sausack, erst Ruß auf der Kuppe, dann Ekelzeug unter dem Nagel. Möchte mal wissen, wie der zu seinem Heiligenschein gekommen ist.«
Auch die anderen Gäste, die inzwischen hinzugetreten sind, sind sich einig, dass die Reinlichkeit im Verhältnis zur Heiligkeit des Quartus, zu wünschen übrig lässt. Sie murren. Ihnen war ein schöner rosiger Daumen versprochen worden, quasi eine esoterische Epiphanie, danach Bratwurst mit Sauerkraut und Volkstanz. Jetzt dies. Der Gammeldaumen in dem Glaskasten wird noch die Gerichte beschäftigen, erregen sich die Enttäuschten. Aber gottlob, bevor es zum Schlimmsten kommt, tritt der Hoteldirektor aus seinem Büro. Er öffnet den Vitrinendeckel und sprüht Sagrotan auf den Daumen. Und du glaubst es nicht, wie durch ein Wunder erhebt sich der Daumen, schüttelt sich wie ein Hund, sodass Rußflocken austreten und verwirbeln, und verkündet barsch das Ende des Himmelreichs.
Tja, da hätten die Hotelgäste mal besser die Schnauze gehalten.
Nächstes Mal erzähle ich von der Seife auf dem Zwischendeck.